
Schwetzinger Schloss (Gartenseite), Foto Berthold Werner
Nach mehreren Bränden und Zerstörungen erhielt das Schloss in Schwetzingen seine heutige Gestalt unter der Regentschaft von Johann Wilhelm, auch `Jan Wellem´ genannt, Er war Pfalzgraf-Kurfürst und zugleich auch Erzschatzmeister des Heiligen Römischen Reiches. Jan Wellem wurde am 19. April 1658 als Sohn des Kurfürsten Philipp Wilhelm von der Pfalz und Elisabeth Amalia von Hessen-Darmstadt geboren. Seinem Vater folgte er am 2. September 1690 als Kurfürst nach, nachdem der ihm zuvor schon die Herrschaft über die jülich-bergischen Gebiete überlassen hatte. Das Schloss mit seinen Außenanlagen wurde dann 9 Jahre später, in mehreren Abschnitten errichtet. Dabei zeigt die nähere Betrachtung, dass die Anlage im Vergleich zu anderen eine Besonderheit aufweist, denn die Achse des Hautgebäudes weicht minimal von der be- stimmenden Visur der Gartenachse ab. Die zielt auf den knapp 35km entfernten, bei der Ortschaft Maikammer liegenden Berg Kalmit. Das leicht verschwenkte Hauptge- bäude weist mit seiner Achse dann auf den Sonnenaufgang über dem Königsstuhl bei Heidel- berg.

Die Kalmit von Osten, Foto Steffen 962
Der Kalmit, dessen Name schon zahlreiche Deutungen erfahren hat, ist der höchste Berg des Pfälzerwalds. Eine der möglichen Deutungen sieht den Namen als Entwick- lung aus em lateinischen Begriff calvus mons, der kahle Berg. Aber auch das lateinische Verb calemus passt um genius loci des Ortes. Mit der Übersetzung `wir brennen´ ist dies zugleich eine Metapher des Glaubens, den der streng katholische, von Jesuiten erzog- ene Kurfürst vertrat. Die Symbolik des `Brennes für den Glauben´ spiegelt sich auch im Sonnenuntergang am 11. Oktober über dem Kalimit, dem Gedenktag von Phillipus dem Evangelisten wieder. Das Datum ist nicht nur eine Referenz an den Vater Jan Willems, sondern in Gestalt des Apostels Philippus ebenso Vorbild für sein eigenes Wirken. Von den Aposteln wurde Philippus zu einem der 7 Urdiakone Jerusalems gewählt, wobei er später über Samaria bis nach Äthiopien gelangte und dort als Begründer der äthiop-ischen Kirche gilt. Diese besondere Fähigkeit des Apostels führt der Kirchenlehrer Clemens von Alexandria in seinen Schriften auf eine Begegnung mit Jesus zurück. Er schrieb darüber, dass Jesus zu Philippus sagte, er solle ihm ohne Zögern nachfolgen und die Toten ihre Toten begraben lassen.

Ausrichtung Schloss Schwetzingen
In dem nach geometrischen Prinzipien des Barock gestalteten Garten, mit einen unter-schiedlich terrassierten Flächen, verweist zwar die strenge Geometrie auf die Ordnung des Glaubens hin, doch die Bilder sind hier von antiken Mythen bestimmt. Der zentrale Brunnen, der Airon gewidmet ist, sowie Götterstatuen und Tempel prägen das Bild. Die Darstellung der Legende des Sängers Airon wirft auch ein Licht auf die damalige Geist-eswelt, in der christliche ideale, antike Mythen, wie freimaurerische Gedanken neben-einander existierten. Der Sänger, der nach einem Wettstreit in Sizilien reich beschenkt wurde, wurde dann auf See von den Schiffsleuten beraubt. Er bat, ein letztes Mal singen zu dürfen, ehe sie ihn zwangen in die Fluten zu springen. Doch zu seinem Gesang erschienen Delfine, die ihn sicher an Land brachten. Auch in der christlichen Ikonografie wird dem Delphin die Rolle des Retters zugeschrieben, doch hier verkörpert er Christus, den Auferstandenen, als den neuen Seelenretter.

Fontäne in der Gartenmitte, Foto Erdie
Das Bild der Wiederauferstehung spiegelt sich auch im Sonnenaufgang am 11. April über dem Königstuhl, denn dieses Datum verweist auf den Ostersonntag des Jahres 1658, dem Geburtsjahr Jan Willems. Ebenso findet hier der Sonnenaufgang am 2 September statt, dem Datum, an dem seine Regentschaft in der Kurpfalz begann. Die Sonnensymbolik der Anlage in Schwetzingen öffnet das Fenster zu einer weiterer ikono-grafischen Ebene, in der das Licht ein zentrales Motiv ist, die Lichtsymbolik der Freimaurer.

Luftaufnahme des Barockgartens (Kreisparterre mit vier Achsen), Foto Schlurcher

Vier Elemente
Obwohl der Erbauer des Schlosses sich nie öffentlich zur Freimaurerei bekannte, muss er doch den Idealen der Logen nahe gestanden haben. Waren doch enge Berater, wie der Baumeister des Schlosses, Graf Matteo Alberti alle Mitglieder von Logen. Sie waren Anhänger des Schwedischer Ritus, oder Schwedisches Ritual genannt, der eine christlich orientierte Lehrart der Freimaurerei darstellt. Bereits der Auftakt, der um Kalmit führenden Sichtachse offenbart mit dem Kreisparterre und dem zentralen Arionbrunnen mit vier breit angelegte Achsen, die Symbolik der Feimaurerei. Sie verweisen auf die 4 Elementelehre antiker Philosophie, wo Feuer, Wasser, Luft und Erde als der Schlüssel zum Verständnis der Natur, des Lebens und des bewussten Seins gesehen wurden. So beginnt auch der Weg des Freimaurers mit einer Reise, die ihn durch Feuer, Wasser, Luft und schließlich Erde führt. Diese vier Elemente bestimmen aber auch Einrichtung eines Freimaurer Tempels und wiederholen sich im Ritual der Selbsterkenntnis. In ihm sollen Weisheit, Stärke und Schönheit erst durch ihr Zusammenwirken zum Ziel der Vollkommenheit führen. Der Weg des Rituals führt so vom `erkenne dich selbst´, zum `beherrsche dich selbst, über `veredle dich selbst´, zum letzten Stadium `du findest dich selbst´. Diese Kunst, Architektur, Gartengestaltung und Natur mit der Lichsymbolik der Sonne zu verbinden zeigt die Anlage in Schwetzingen.
Bilder: Wikipedia/ Schwetzinger Schloss (Gartenseite), Foto Berthold Werner, CC BY-SA 3.0 / Die Kalmit von Osten, Foto Steffen 962 / Fontäne in der Gartenmitte, Foto Erdie / Luftaufnahme des Barockgartens (Kreisparterre mit vier Achsen), Foto Schlurcher , Simulation, sunearthtools,Googlemap
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