Mannheim, Stadt des Löwen und der Apostel

Ehrenhof Barockschloss Mannheim, Foto Hubert Berberich

Eine schlichte Heirat fand der welfische Löwe, ein Goldener Löwe auf schwarzem Tuch, Einzug in das Wappen der Wittelsbacher. Sie herrschten ab 1214 über Bayern und Pfalz. Mit diesem Wappentier folgte das Fürstengeschlecht einem im Mittelalter wieder üblichen Bild der Selbstdarstellung eines Herrschers. Sich mit Löwen zu inszenieren und damit die Symbole der Macht ganz real zu zeigen, demonstrierte der Stauferkaiser Friedrich II im Jahr 1231 bei seinem Einzug in Ravenna wo er sich von mehreren Löwen begleiten ließ. Dies war nicht mehr nur ein Rückgriff auf antike Bilder, denn das Christentum hatte das Bild des Löwen in die eigene Ikonografie integriert. In der Antike war die Löwenjagd nur den Herrschern vorbehalten. So verhalf dem Jäger ein Sieg über das mächtigste Tier zu einen Nimbus der Unbesiegbarkeit, der ihn auch gegen Angriffe feindlicher Mächte schützen sollte. Vor diesem Hintergrund wurde der Löwe zu einem festen Bestandteil der Königs- und Herrscherideologie. Dieses Bild taucht auch in der Genesis, wo der Stammvater Jakob von seinem Sohn Juda, als einem Gur Aryeh spricht, das im Hebräischen für `junger Löwe´ steht.

Der Löwe Judas auf dem Wappen Jerusalems, Foto Jüppsche

In der weiteren Geschichte wird das Tier so zu einem häufig gebrauchten Bild des Herrschers und auch der Messias wird als Löwe von Juda bezeichnet, weil einige in ihm den neuen König sehen, der die römische Herrschaft beendet. Hier zeigen die beiden ganz ähnlich klingende Worte Aryeh, der Löwe und or-jah., das Licht des Herrn, das im Löwen eine Verbindung von unbesiegbarer Stärke und der göttlichen Weisheit gesehen wurde. Der Löwe war also das ideale Sinnbild für die Königsherrschaft. So taucht er auch ganz direkt als Beinamen von Königen wie Richard Löwenherz, oder Heinrich dem Löwen auf. Auf Grund der biblischen Texte und der ikonographischen Bedeutung. setz- ten sich ab der Spätantike zahlreiche Kirchenlehrer und Geistliche intensiv mit dem Wesen und dem Leben des Löwen auseinander. So so schrieb de Augustinus, dass die Kinder es Löwen drei Tage wie leblos neben der Mutter liegen, ehe sie dann der Vater mit einem Gebrüll wecke. Auch im Physiologus, einer frühchristlichen Naturlehre in griechischer Sprache, wird die Rolle des Vaterlöwen betont. Hier wird die Geburt der Löwin als Todgeburt geschildert, die erst durch den Atem des Löwen zum Leben er- wacht. Die Erweckung durch den Löwen kann damit auch als Sinnbild der Wieder-auferstehung interpretiert werden.

Der Löwe erweckt seine Kinder, St. Nikolai Stralsund, um 1300

Wie der Löwe den Hauch des Lebens von sich gab, war er zugleich auch eine Metapher für die größte Bedrohung des Lebens, den Tod. Ihn zu überwinden erforderte nach kirchlichen Maßstäben ein tugendhaftes und tapferes Leben, gleich dem Jäger der den Löwen bezwingt. Zahlreiche, mit Löwenmotiven verzierte Sarkophage aus der Zeit des Mittelalters bezeugen die zu dieser Zeit weit verbreitete Vorstellung. Parallel dazu wurde die Jagd auf den Löwen auch zum Gegenstand literarischer Epen, wie dem Niebel-ungenlied. Dort erlegt Siegfried von Xanten kurz vor seiner Ermordung durch Hagen noch einen Löwen im nahen Odenwald. Dass die Geometrie einer Planstadt wie Mann- heim nach alten Wegeverläufen ausgerichtet wurde ist vor diesem Hintergrund kaum vorstellbar. Wie bei den großen Vorbildern, den Idealstädten der Renaissancefürsten Italiens, oder den großen antiken Städten, bestimmte auch die Ausrichtung Mannheims eine besondere Symbolik. Sie sollte das Selbstverständnis des Fürsten, wie auch auf dessen Glaubenswelt repräsentieren.

Froimons Schlossansicht von 1725, Foto Michael Linnenbach

Sonnensymbolik des Straßenrasters

Die Grundsteinlegung für den ersten Baustein der monumentalen Anlage, der Zitadelle Friedrichsburg erfolgte am 17. März 1606. Die Bastion, im holländischen Stil als Epta- gon errichtet, schließt mit einer Seite rechtwinklig an die nach Nordnordosten führende Stadtachse an. Der Stadt selbst verlieh der protestantische Kurfürst Friedrich IV. am 24. Januar 1607, einen Tag vor dem Gedenktag des Apostels Paulus, ihre Gründungs-privilegien. Auf den Sonnenaufgang am Tag des Apostels fluchtet auch die nach Süd- osten weisende Stadtachse, denn am 25. Januar wird der Bekehrung des Apostels gedacht, der zu einem der wichtigsten Missionare des Glaubens wurde. Damit spielt der Sonnenaufgang auch das Selbstverständnis des Reformators Luther wieder, der sich als einen Geistesverwandten des Paulus betrachtete und glaubte selber ein neu- er- standener Paulus zu sein. Wie der Glaube die Ausrichtung in südöstlicher Richtung bestimmte, so ist dies auch in nordwestlicher Richtung der Fall. Dort ist der Sonnen-untergang am 25. Juli zu sehen und markierte somit den Tag des Apostels Jakobus. Wie kein anderer Heiliger wurde er im Laufe der europäischen Geschichte zur Symbolfigur bei der Verteidigung des Glaubens. Während Millionen von Pilgern sich auf den Jakobs-wegen in Richtung Santiago de Compostella aufmachten, diente er nicht nur den asturischen Rittern als Schlachtenlenker während der Reconquista, sondern auch den christlichen Heeren beim Kampf gegen die Osmanen. Zur Zeit der Stadtgründung Mannheims war erst knapp ein Jahrhundert vergangen, als das christliche Abendland bei der ersten Belagerung Wiens verteidigt wurde. Seit dem Fall Byzanz war es der ständigen Bedrohung aus dem Süden ausgesetzt, und es sollte noch ein weiteres Jahrhundert dauern, ehe die osmanische Gefahr gebannt war.

Mannheim und der Löwe

Mut und Stärke, die sich auch im Bau der Festung zeigten, hatten auch ihr Spiegelbild am Himmel. So zielte zu dieser Zeit die Stadtachse auf den Stern Regulus im Sternbild des Löwen, der während des Frühlingsäquinoktiums in dieser Richtung zum ersten Mal zu sehen war. Für die Stadt und ihre Verbindung war dies ein geradezu symbolisches Datum, das Aufbruch, Wachstum und Entwicklung versprach. Nach dem alten Grund- satz. Wie oben so auch unten folgte auch der polygonale Grundriss der Stadt dem seit der Frühgeschichte so beliebte Königssymbol.

Bilder:Wikipedia/ Ehrenhof Barockschloss Mannheim, Foto Hubert Berberich (HubiB), CC BY 3.0 / Der Löwe Judas auf dem Wappen Jerusalems, Foto Jüppsche – own work based on Jerusalem emblem / Der Löwe erweckt seine Kinder, St. Nikolai Stralsund, um 1300 / Froimons Schlossansicht von 1725, Foto Michael Linnenbach / Simulation, sunearthtools, Stellarium, googlemap