Der Löwe von Lorsch

Westseite der Torhalle, 2009, Foto Kuebi

Im Kloster Lorsch wird heute ein Segensspruch aus dem frühen 9. Jahrhundert aufbe-wahrt, in dem der Jungfrau Maria die Befehlsgewalt über die Bienen zugesprochen wird. Mit ihm sollte vermutlich,im übertragenen Sinn, ein schwärmendes Bienenvolk wieder in den Bienenstock zurückgerufen werden. Der Spruch beginnt mit denm Worten: `Christ, der Bienenschwarm ist hier draußen! Nun fliegt, ihr meine Bienen, kommt.Im Frieden des Herren, unter dem Schutz Gottes kommt gesund zurück. – Sitzt, sitzt, Bienen. Der Befehl kommt von der Jungfrau Maria…..`

Codex Palatinus latinus 220, Fol. 58r, mit dem Lorscher Bienensegen.. Foto Autor unbe.

Die Verbindung der Bienensymolik mit Maria beginnt mit dem Konzil in Ephesos im Jahr 431. Dieses 3. Konzil der Kirchenoberhäupter sollte den Streit über den Begriff Gottes-gebärerin befrieden, der durch die Lehre der Nestorianiane entstanden war. Im Gegen-satz zur Kirche in Rom, sahen die in Christus 2 getrennte Personen, eine ird- ische und eine göttliche. Somit konnte Maria auch keine Gottesgebärerin sein, wie es die Lehre Roms forderte. Unter der Führung des Patriarchen und Kirchenlehrers Cyrill von Alexanderia einigten sich schließlich die 200 in Epheseos tagenden Bischöfe doch auf den Marientitel `theotokos´ die Gottesgebärerin. Diese wegweisende Entscheidung erfolgte an einem Ort, an dem das größte Artemisheiligtum der Antike stand. Ihr heiliges Tier war die Biene, die auch auf zahlreichen, in Ephesos aufgefundenen Münzen auf- taucht.

Münze aus Ephesos, mit Biene

Auf Grund der Bedeutung der Bienen im Artemiskult nannten sich auch die Priester- innen Melissai, was übersetzt weibliche Bienenarbeiterinnen bedeutet. Entsprechend zum Aufbau eines Bienenstaates entsprachen dann die Eunuchen-Priester dann den Drohnen. In der Zeit als der Lorscher Bienensegen entstand, wurde das heutige Lorsch noch mit dem Name Lauresheim bezeichnet, ein Name der dessen Ursprung bis heute ungeklärt ist. Führt man den auf das althochdeutsche Wort laurin, den Lorbeer zurück, bietet der eine Verbindung zur Symbolik des Mittelalters, wie auch zur Sonnen-ausrichtung der Klosteranlage. In der griechischen Mythologie war der Lorbeerkranz ein Attribut des Licht- und Heilgottes Apollon. Er soll auch in Delphi einen Tempel aus Lorbeerzweigen gebaut haben. Erst viel später wurde dan der gleichen Stelle, so die Legende, dann ein Tempel aus Stein erbaut. Mit seiner Symbolik steht der Lorbeer für Ruhm und Zuneigung. Zugleich ist er mit der Sonne verbunden und steht damit auch für das Sternzeichen Löwe. Auch in der Marienlegende taucht der Lorbeer auf, denn ihre Mutter Anna war einst in Sorge ob ihrer Kinderlosigkeit. Doch kurze Zeit nach dem Gebet unter dem Lorbeerbaum in ihrem Garten, erschien ihr ein Engel und verkündete ihr die nahe Geburt. Im Christentum wird der immergrüne Lorbeer dann zum Symbol der Auferstehung und damit auch zum spirituellen Triumph über den Tod. So weitere Verbindung des Lorbeer zu Maria und dem Löwen zeigt sich in der Ausrichtung der Anlage auf den Sonnenuntergang an Mariä Himmelfahrt.

Kloster Lorsch, Ausrichtung, eigen,Uni-Heidelberg,

Die ist das Datum an dem auch der Frauendreissiger beginnt, jene 30 Tage, in denen nach altem Brauch die reifen Heilkräuter gesammelt wurden. In der frühen Zeit des Christentums wurde das Hochfest „Mariä Himmelfahrt“ noch als Fest der „Dormition“, der „Entschlafung“ Mariens begangen. Erst im 6. Jahrhundert wurde es auf die Mitte des August gelegt, also jenen Zeitpunkt, an in dem die Sommertemperatur in der Regel ihr Maximum überschritten hat. Aus der Vorstellung der Entschlafung entwickelte sich dann im frühen Mittelalter das Himmelfahrtsfest. Ein entsprechendes Schauspiel war zu dieser Zeit auch in Rom, zumindest ideell, am Himmel zu sehen. So erfolgte dort in der Zeit des 15. Augustd der Aufstieg des Sternbildes Virgo. zusammen mit der Sonne in ihrer Hand. Auf diese Zeit der Kräutersuche verweist auch eine weitere Marienlegende, in der der von der Öffnung des Mariengrabes erzählt wird. Hier finden die Jünger aber keinen Leichnam mehr, sondern nur noch Blumen und Kräuter. Die theologische Ent- wicklung der Himmelfahrt Marias fand 1950 eine vorläufiges Ende, denn in diesem Jahr verkündetete. Papst Pius XII. das Dogma „von der ganzmenschlichen Aufnahme Mariens in den Himmel“. Die Anlage in Lorsch vereinte beide Motive, die Himmelfahrt in Gestalt des Sonnenuntergangs an diesem Tag und den Lorbeer als Zeichen der Auferstehung im Symbol des Löwen. Ein Löwenkopf in der Mauer der verbliebenen Kirche erinnert heute noch an die symbolische Bedeutung des Tieres.

Löwenkopf, Portal Klosterkapelle, Kloster Lorsch

Bilder: Wikipedia/ Codex Palatinus latinus 220, Fol. 58r, mit dem Lorscher Bienensegen.. Foto Autor unbekannt, gemeinfrei / Westseite der Torhalle, 2009, Foto Kuebi – Armin Kübelbeck, CC BY-SA 3.0 /Kloster Lorsch, Ausrichtung, eigen,Uni-Heidelberg, sunerathtools/ Münze aus Ephesos, mit Biene/ Löwenkopf, Portal Klosterkapelle, Kloster Lorsch