Der Mond und der Meisenbühl

Meisenbühl von Südosten, eigen

Wo heute seltene Käfer und Blumen unter Naturschutz stehen, soll sich laut mündlichen Überlieferungen einmal ein Schloss befunden haben. Aus heutiger geologischer Sicht ist der Meisenbühl jedoch nur eine der zahlreichen Kuppen aus Weißjura, wie sie auf der Hochalb häufig anzutreffen sind. Lebt diese Vorstellung von einem Schloss also doch nur in den Ortssagen weiter? Ein Schloss, oder auch eine Burg stehen traditionell für Werte wie Schutz, Sicherheit, Geborgenheit, aber sie verkörpern auch einen Ort des Rückzugs und der Entfernung von der alltäglichen Welt. Deshalb wurde in biblischen Texten das Motiv der Burg auch einem Sinnbild des Gottvertrauens. Bereits im alten Testament taucht es als symbolische Festung ganz im Sinne Luthers auf. Er griff einst in seinem Reformationslied auf das altbewährte Motiv zurück und ließ es mit den Worten beginnen: `Ein feste Burg ist unser Gott´. Eine ganz ähnliche, ebenso fantastisch an- mutende Erzählung gibt es auch zum nördlich gelegenen Roßberg. Auf ihm soll sich einst ein Kloster befunden haben, in dem Mönche mit roten Gewändern lebten.

Beim Meisenbüjhl fällt die ellipsoide Form der Kuppe ins Auge, doch sie soll erst im Zuge intensiverer Bodenbewirtschaftung ab der Mitte des 19. Jahrhunderts entstanden sein. Wie die Geländestufen, so ist nicht nur die geometrische Form der Kuppe auffällig, sondern auch ihre nahezu waagrechte Ebene. So scheint die Mittellinie der Ellipse doch ganz bewusst ausgerichtet worden zu sein, denn sie zielt auf den Roßberg über dem dann die nördliche Mondwende zu beobachten ist. Gleichzeitig erweist sich der Meisenbühl aber auch als ein idealer Visierpunkt für mehre Sonnenauf-und Untergänge. Während über dem Aussichtspukt des östlich gelegenen Bolberges der Sonnenaufgang während den Äquinoktoen zu sehen ist, kann der zur Sommersonnenwende exakt zwischen Roßberg und Rinderberg, am Albtrauf beobachtet werden. Dagegen erweist sich die Südwestkante des Filsenberges ideal für die Beobachtung der Sonnenunter- gänge am 1. und 15 Februar.

Meisenbühl, Sonnen- Mondrichtung, Opentopomap

Damit erscheinen die Abstufungen des Meisenbühls in einem andren Licht, denn es ist kaum vorstellbar, dass sie in aufwendiger Arbeit aus dem Plateau für einen eher kargen eldertrag herausgearbeitet wurden. Der Name Meisenbühl hat eine Namens-ver- wand- schaft mit dem Singvogel Meise. Eine Verbindung zum Ort schafft die Blaumeise im 16. Jahrhundert noch als Himmelsmeise bezeichnet wurde und damit die einzigartige, dem Himmel nahe liegenden Ort verweist. Auf diese Verbindung zu himmlischen Mächten verweisen hier die Abstufungen, die Lage, wie auch die ellipsoide Gestalt des Meis- enbühl. Sie entspricht der Typologie von Höhensiedlungen wie sie aus der Jungstein- zeit bekannt sind. Vergleichbare Landschaftsformen mit Siedlungen finden sich Mich- elsberg bei Untergrombach oder der Michaelsberg bei Cleebronn.

Blaumeise (Cyanistes caeruleus) Lockruf einer Blaumeise?/Foto Maximilian Dorsch

Über die Gründe, für die in dieser Zeit häufig anzutreffende Form einer gestreckten Ellipse kann nur spekuliert werden. Eine Erklärung für die Form dieser Siedlungen bietet hier die Linse, eine in dieser Zeit bevorzugt angebaute Feldfrucht.Auf Grund der kargen Böden auf der Schwäbische Alb wurden dort Linsen bis ins 20. Jahrhundert kultiviert. Erst in jüngster zeit erfolgt hier eine Rückbesinnung auf die Jahrtausende alte Feldfrucht, die heute noch ein fester Bestandteil von vielen schwäbischen Gerichten ist.In der modernen Küche hat die Linse ihren Ruf als „Arme Leute-Essen“ aber schon längst verloren. Trotz der Jahrtausende dauernden Nutzung des Meisenbühls sind hier noch zwei wichtige Richtungen zu erkennen: Der Sonnenaufgang zur Sommersonnen- wende ber dem bei Reutlingen liegenden Drackenberg und der Aufgang des Mondes während der großen Mondwende Nord über dem Rossberg. In dessen Name ist noch unschwer der Bezug zum indogermanischen Kulttier, dem Pferd zu erkennen. Ihm sprachen die Griechen Unsterblichkeit zu und gaben Pferden Namen, die sie in Rang mythischen Heroen und Göttern erhoben, So galt die Stute ein Symbol des Lebens und stand daher für das Bild der großen Muttergottheit . Da Muttergottheiten bis zur christlichen Jungfrau Maria hin, traditionell auch mit dem Mond in Verbindung standen, verbinden sie die die Bilder Pferd und Mond.. So fuhr auch die griechische Mondgöttin Selene mit einem von 2 weißen Pferden gezogenen Wagen über den nächtlichen Himmel. Erst die weitere mythologische Entwicklung macht dann mit der Erzählung des Phaeton, dem Sohn des griechischen Sonnengottes Helios, aus dem Pferd ein solares Symbol.

Fotos: Meisenbühl von Südosten, eigen / Meisenbühl Relief, Geoportal BWMeisenbühl, Sonnen- Mondrichtung, Drackenberg , eigen ,Opentopomap / Wikipedia / Blaumeise (Cyanistes caeruleus) Lockruf einer Blaumeise?/Foto Maximilian Dorsch CC BY-SA 3.0

Ziege und Schwan im Geißenklösterle

Geißenklösterle im Bruckfelsmassiv (Achtal), Foto: Dr. Eugen Lehle

Funde aus der Höhle Geißenklösterle erzählen von einer Menschheitsgeschichte, die sich vom 300. bis ins 4. Jahrtausend erstreckt. Betrachtet man heute die Höhle, so kann man sich kaum vorstellen, weshalb die unterschiedlichsten Kulturen, vom Mittel-paläolithikum bis zur Ackerbaugesellschaft der Michelsberger Kultur diesen Ort immer wieder aufsuchten. Aber gerade im Ach – und Lonetal müssen diese frühen Nomad- en bereits erkannt haben, dass Teile der mäandernden Landschaft perfekt mit den Bewegungen von Sonne und Mond über einstimmen. Einer dieser Sporne, um die die Ach mäandert, liegt bei Weiler, einem Teilort von Blaubeuren. Aus der Luft betrachtet, liegt die Mittellinie dieser Spornes auf der Richtung er großen Mond- wenden. Nahezu in einem Halbkreis fließt hier die Ach um den Sporn auf dem die Höhle Geißen- kößterle liegt . Der Durchmesser dieses Kreises trifft im Nordosten auf das Felsen-labyrinth und die daran anschließende Brillenhöhle

Geißenklösterle und Mondrichtungen

Der Name Geißenklösterle soll im Mittelalter entstanden sein, als Hirten hier ihre Ziegen zum Schutz in die geräumige Höhle trieben. Doch wie der Sporn der Richtung des Mondes folgt, so folgt auch die Höhlenraum mit seinen parallelen Seitenwänden der Richtung der großen Mondwende Süd. War es also ein Mondkult, der die Menschen mit diesem Ort verband? Der heutige Name deutet auf einen Rest dieses Wissen hin, das einst die Menschen mit dieser Landschaft verbanden.

Speisung des Zeus, Jacob Jordaens.um 1640. Foto, The Yorck Project: DIRECTMEDIA Publishing GmbH

In einer der griechischen Götterlegenden säugte die Nymphe Amaltheia in Ziegen-gestalt das neugeborene Zeuskind, das vor seinem rachsüchtigen Vater Kronos nach Kreta flüchte. Amaltheia war eine der neun Ammen des göttlichen Zeus. Mit ihrer Milch säugt sie ihn und aus deren Hörnern flossen Nektar und Ambrosia. Der dankbare Zeus versetzte die Ziege deshalb später als Stern Capella, die kleine Ziege, an den Himmel und ihr abgebrochenes Horn machte er zum Füllhorn. So wurde dieses zum Symbol der fruchtbaren Natur und ebenso ein Attribut segens-spendender Gottheiten. Das Sinnbild der Erdfruchtbarkeit, Vegetation und der im Frühjahr erwachenden Triebkraft wurden fortan mit der Gestalt des Ziegenbockes verbunden. In allen Kulturen galt die Ziege als weibliches Pendant zum Sonnengott. Während der Christianisierung änderte sich dieses Bild des Ziegen-bockes radikal, denn während des Mittelalters wurde er zum Symbol des Bösen und galt als Ver- körperung des Teufels.

Luna, einer von 7 Planeten, Kupferstich Hans Sebald Beham, 1539, Scan by Yellow Lion

In der klassischen Astrologie ist der Mond das Symbol für das Weibliche, das Empfängliche, die Innerlichkeit und das Unbewusste, aber auch für das Vergängliche und den beständigen Wandel. Einen verdeckten Hinweis zur einstigen Macht-verteilung der alten Götter bietet ja auch die geschilderte Legende des Zeus. Eine Nymphe, Vertreterin des weiblichen Prinzips, füttert den hilflosen Säugling, der später zum Herrscher des Götterimperiums aufsteigt. Aber auch der Schwan verkörpert dieses weibliche Prinzip. Mit seinem langen biegsamen Hals und seinem weißen Gefieder gilt er zudem als Sinnbild der Reinheit und Anmut. Zudem gilt der weiße Schwan in der Kulturgeschichte als ein Symbol des Lichtes, der Reifung und Vollen- dung.

Sternbild Schwan, Erstsicht des Sternes Deneb zu dieser Zeit am Abend der Wintersonnenwende

Aus diesem Grund wurden Schwäne in den Mythologien vieler Völker zu Begleittiere von Göttern, wie Apollon, Brahma oder in einer Verwandlungsform der Göttervater Zeus. Ganz passend zu dieser Vorstellung wurde in der Höhle auch eine Flöte ge- funden, deren Alter auf rund 43000 Jahre geschätzt wird. Sie wurde einst aus dem Flügelknochen eines Singschwanes geschnitzt. Das Instrument konnte bereits 1990 aus über 20 Fragmenten zusammengesetzt werden und hat eine Länge von 126,5 mm. Mit nur drei Grifflöchern hat sie eine relativ hohe Tonlage, die damit der Stimme von Singschwänen nahekommt. Maß und Material weisen jedoch noch auf zwei wichtige Aspekte hin. Das Maß 12,65cm unterscheidet sich nur 1,1% vom 1/8 m, dem Maß, das auch die Entfernung vom Hohle Fels und der Sirgensteinhöhle bestimmt. Dass ausgerechnet ein Schwanenknochen für die Flöte verwendet wurde, dürfte aber noch einen andern Grund besitzen. Das außergewöhnlich beein-druck- ende Sternbild des Schwanes stand zum Herbstäquinoktium, kurz nach Sonnen-untergang wie ein Kreuz im Norden und kurz nach Sonnenuntergang zur Winter-sonnenwende nahezu waagrecht am Himmel. In dieser Position sah er dann aus, als würde er der neugeborenen Sonne entgegen fliegen. Der Schwan lieferte also nicht nur das Werkmaterial für die Flöte, sondern war in dieser Epoche ein wichtiger Zeitmarker am Himmel und damit sicher auch eine mythologisch bedeutsamen Gestalt. Die Gestalt des Schwanes wirft aber auch die Frage auf, ob diese Bilder auf Grund ihrer Ähnlichkeit zu Tierwesen, ab dem ersten Erkennen am Himmel zu Urbildern der Menschheit wurden.

Nachbildung der Flöte 1, Foto José-Manuel Benito Álvarez

Bilder: Wikipedia / Geißenklösterle im Bruckfelsmassiv (Achtal), Foto: Dr. Eugen Lehle / Speisung des Zeus, Gemälde von Jacob Jordaens (um 1640). Links der kleine Zeus; unklar ist, ob die melkende Nymphe oder die Ziege Amaltheia darstellt., Jacob Jordaens – The Yorck Project: 10.000 Meisterwerke der Malerei. DVD-ROM, 2002. ISBN 3936122202. Distributed by DIRECTMEDIA Publishing GmbH./Luna, einer von sieben Planeten (Kupferstich von Hans Sebald Beham, 1539), Scan by Yellow Lion / Nachbildung der Flöte 1, José-Manuel Benito Álvarez/ Simulation, Sunearthtools, Stellarium, Opentopomap /