Die Hirnschale des Teufels

Die Hirnschale des Teufels in Nagold

In der kleinen Stadt Nagold im Schwarzwald befindet sich ein höchst seltsamer Ort. Dort wurde Kraft einer Landesverordnung die Hirnschale des Teufels unter Naturschutz ge- stellt. Auf diese Weise sollte die reich strukturierte Landschaft auf einer Anhöhe im Süden der Stadt vor Veränderungen bewahrt werden. Dass hier ausgerechnet das Krankenhaus der Stadt errichtet wurde, ist wohl als eine Ironie der Geschichte zu wert- en und nicht jenen geheimnisvollen Kräften des Teufels zuzuschreiben, von denen eine Sage aus Nagold erzählt. Sie berichtet, wie der Teufel eines Tages dort mit einem furchtbaren Getöse sein Kommen zeigte und damit die gottesfürchtigen Bewohner auf sich aufmerksam gemacht hatte. Aufgeschreckt von dem Lärm machten die sich mit Beilen und Mistgabel auf den Weg den Teufel abzuwehren. Auf dem Lemberg ent-deckten sie, wie der sich durch die Erde nach oben arbeitete und schlugen sofort auf ihn ein. Da ihm die kräftigen Schläge so der wackeren Nagolder so zusetzten, ließ er von seinem Vorhaben ab in die Stadt einzudringen, doch der Berg war fortan steinig und unfruchtbar. Heute wird der Ursprung der Sage in einem Scherz über diesen unfruchtbaren Berg gesehen. Der Kern dieser Erzählung führt aber zur Entwicklung einer Gestalt, die die Menschen des Mittelalters in Angst und Schrecken versetzte.

Waldstreifen unterhalb des Kreiskrankenhauses. Foto Friedi13

Der Name Teufel stammt aus dem Altgriechischen, wo er Diábolos, genannt wurde, der `Durcheinanderwerfer‘, im Sinne von Verwirren. Im Christentum und dem Islam wurde seine Gestalt dann als das personifizierte Böse betrachtet. Als gefallener Engel, der gegen Gott rebellierte, bekam er den Namen Luzifer, was übersetzt der Lichtträger be- deutet. Die Bezeichnung ist verwirrend, denn im Petrusbrief ist der Lichtträger der Morg- enstern, die Venus und wird als das Zeichen der Verheißung bezeichnet. Auch in der Offenbarung des Johannes bezeichnet sich Jesus noch selbst als den Morgenstern. Erst als die Schriften des antiken Kirchenvaters Origines im 6.Jhd. Anerkennung fand- en, änderte sich die Bedeutung des Namens Luzifer. Nun gewannen altestamentarische Texte die Oberhand, in denen Luzifer mit dem Bösen in Verbindung gebracht wurde.

Kirchenvater Augustinus und der Teufel, Michael Pacher um 1471

Texte, wie das Lukasevangelium, in denen Jesus den Satan in einen Blitz vom Himmel fallen sieht, formten dann das Bild des personifizierten Bösen. Im späten Mittelalter entstand dann neben der Gestalt des Satans auch die Vorstellung von dessen Wohnort, der Hölle. Sie hat ihre Ursprünge in der griechischen Legende, wo der Höllenhund sie Kerberos bewachte. Er wird als schwarze, dreiköpfige Gestalt beschrieben, der todbringender Speichel aus der Lefze tropfte. Dieses Motiv des Hundes tauchte in den Mythen nicht nur als Wächter der Unterwelt auf, sondern ebenso als Begleiter der Seelen Verstorbener, der die in diese führt. Dieses Bild des Hundes zeigt sich auch in Osiris, den ägyptischen Gott des Jenseits und Totenrichter, der sich im Sternbild des Orion verkörperte. Er wird von zwei Hunden begleitet, von denen einer das Sternbild Großer Hund darstellt, Sirius, der hellste Stern des Großen Hundes, canis mayor, ist zugleich auch der hellste am Nachthimmel. Bei den Römern kündigte der Hundsstern immer die heiße Jahreszeit des Sommers an. Ein alter Brauch war es zu dieser Zeit, dem Hundsstern rote Hunde,die Molosser zu opfern.

Altpersische Darstellung eines Molossers aus Persepolis, Foto  Philippe Chavin

Damit führten die Römer aber nur weiter was Homer bereits im 6. Jhd. v. Chr. in seinem Werk Ilias schrieb. Dort steht im 22. Kapitel: `Welcher Orions Hund genannt wird unter den Menschen; Hell zwar glänzt er hervor, doch zum schädlichen Zeichen geordnet, Denn er bringt ausdörrende Glut den elenden Menschen´  Bereits ein Jahrhundert zuvor hatte der griechische Bauerndichter Hesiod in seinem Lehrgedicht Werk und Tage den Stern Sirius mit Seirios bezeichnet. Eine Deutung über die Herkunft des Namens ver- weist auf die Mythologie der Sirenen, den Seiren. Sie werden als betörenden Misch- wesen geschildert, die Seefahrer anlockten um ihr Blut zu trinken. Doch diese frühe Form eines teuflischen Wesens hatte aber auch noch eine ganz andere Bedeutung. Die beschrieb Hesiod in seiner Schrift Werk und Tage als Kalenderstern, an dessen Auf- gang der Landmann seine Tätigkeit ausrichten konnte. Im alten Ägypten war dies ja seit Jahr- tausenden der Fall, denn dort kündigte der Aufgang des Sirius vor der sonne die jährliche Nilflut an. Als Kalenderstern konnte der Hundsstern Sirius aber auch in Nagold betrachtet werden. Dort ging er noch im 17. Jahrhundert am Abend des Frühlingsäquin-oktiums exakt im Süden, über der Hirnschale des Teufels auf und erinnerte damit an die vorchristlichen Frühlingsfeste. Während des Herbäquinoktiums wiederholte sich dieses Schauspiel, doch da verblasste der Hundsstern am Morgen über dem östlichen Rand der Hirnschale.

Sirius über der hirnscale des Teufels

Eine Woche vor diesem Ereignis wird der Tag Kreuzerhöhung gefeiert. Dieses Kreuz schließt den Kreis der Erzählung vom Baum des Paradieses. Von ihm kam der Tod und vom Baum des Kreuzes erstand dann das Leben, in dem der Feind, der Teufel, besiegt wurde. Von der Stadt aus gesehen, geschah dies während des Herbstäquinoktiums, denn dann wurde der Teufel in Gestalt des Sirius besiegt, in dem ihn die Sonne am Morgen verblassen ließ. Nur seine Hirnschale blieb zurück. Dass Sirius, mit der Bezeichnung Meerstern, gleichzeitig zum volkstümlichen Symbol Marias wurde, ist wohl den unterschiedlichen biblischen Interpretationen, der sich nicht immer wohlgesonnenen Kirchenväter zuzuschreiben.

Bilder: Wikipedia / Der Waldstreifen unterhalb des Kreiskrankenhauses ist der nordwest-liche Ausläufer des Naturschutzgebiets, Foto Friedi13 , CC BY-SA 4.0 / Kirchenvater Augustinus und der Teufel, Michael Pacher – The Yorck Project (2002) / Altpersische Darstellung eines molossoiden Hundes aus Persepolis, Foto Philippe Chavin (Simorg) / Simulation, stellarium, opentopomap