Der Weinheilige und die Basilika Saint-Urbain in Troyes

Saint Urbain, Südwestfassade, Foto DXR / Daniel Vorndran

Die Spuren, die zu den ersten Weinbaugebieten führen könnten, sind von der Ge- schichte längst verwischt worden. Forscher vermuten hier erste Anbaugebiete die am Schwarzen, oder auch am Kaspischen Meer liegen. Aber auch das frühe Ägypten im 3. Jahrtausend kommt für die ersten Versuche den Wein zu kultivieren in Betracht. Einziges Zeugnis, dass über den Ursprung der Weinreben Aufschluss gibt, ist die Genesis. Dort wird beschrieben, wie Noah die Weinrebe als erste Pflanze nach der Sintflut kultivierte. Im Mittelmeerraum wurde der Weinbau dann zu einem Zeichen kult- ureller Entwicklung, die zugleich mit einem sichtbaren Wohlstand verbunden war. Doch der Genuss des Weines offenbarte auch seine Schattenseiten, die Laut der Bibel zu Faulheit, Schwächung und gefährlichen Ausschweifungen führen kann. Diese Warn- ungen zielten auch auf die ausschweifenden Feste zu Ehren des beleibten griechischen Gottes Dionysos mit seinen zwei Gesichtern, dem fröhlichen und dem finsteren. Damit verwies er schon lange vor den biblischen Texten auf ähnliche Aspekte. Eine weitere Parallele zeigt sich in seiner Rolle als Kulturbringer, denn wie Noah wird Dionysos nach- gesagt dass er den Menschen die Kunst des Weinbaues brachte und für die stetige Fruchtbarkeit der Weinreben stand. In antiken Ritualen hatte der Wein seinen festen Platz. Als Trankopfer diente er bei der Verehrung der Götter, aber genauso auch als Gabe für die Toten zur Stärkung beim Übertritt in eine andere Welt. Gleichzeitig ermög-lichte er den Lebenden im Rausch die Erfahrung dieses Grenzübertritts, der nur den Toten vorbehalten war.

Darstellung des Trankopfers. attische Phiale, um 480 v. Chr., Foto Makron

In biblischen Texten wird die Weinrebe in mehreren Passagen erwähnt und in bildhaften Vergleichen Parallelen zum Wesen des Menschen aufgezeigt. Ein Aspekt des Weines ist seine Verwandlung vom Traubensaft zum alkoholischen Getränk und so wird er auch zum zentralen Motiv des ersten öffentlichen Wunders das Jesus zugeschrieben wird. Nachdem dem dort der wein ausgegangen war verwandelte er das Wasser in 18 Krügen in Wein. Diese Verwandlungsmotiv greift Jesus auch beim Letzten Abendmahl auf, in dem er den Wein zu seinem Blut erklärt. So erscheint es geradezu als selbstver- ständlich, dass die antike Tradition eines Schutzpatrons der Weinreben nach der Christ-ianisierung eine Fortsetzung finden musste.

Hl. Urban, 16. Jhd., Pfarrkirche St. Christina, Ravensburg, Foto: Jakob Russ

So berichtet Eusebius von Caesarea in seiner Kirchengeschichte vom Papst Urban I., der während der Regierungszeit von Kaiser Alexander Severus lebte. Seine Legende berichtet von zahlreichen Bekehrten, die sich durch sein Wirken zum Christentum bekannten. Diese Bekehrten waren Severus ein Greuel und so ließ ihn mit Bleikugeln geißeln und schließlich durch Enthauptung hinrichten. Der Legende zufolge soll es nach seiner Enthauptung Wein vom Himmel geregnet haben. Urbans Leichnam soll an- schließend an der Via Apia bestattet worden sein. Eine Vermischung der Legende mit dem gleichnamigen Bischof aus Langres, der sich sehr dem Schutz des Weinbaues verschrieben hatte, führte zum eigentlichen Bild des Schutzpatrons des Weines. Zu- gleich ist Urban I. Auch der Schutzpatron der Städte Maastricht, Valencia und auch von Troyes.

Saint-Urbain, Westfassade, eigen

In Troyes begann Papst Urban 1296, 1 Jahr nach seiner Wahl zum Papst, mit dem Bau r einer Basilika. Dazu wählte er einen Platz aus, wo sein Vater einst als Flickschuster in Troyes gearbeitet hatte. Der kompakte Grundriss der Kirche ist auf einem lateinischen Kreuz aufgebaut und umschließt einen lichtdurchfluteten Raum. Die farbenprächtigen Glasfenster stammen von einem bekannten Glasmaler der Schule von Troyes. Sie vertrat einem Malstil, der den Ausdruck der Innerlichkeit und die Linienführung der Gotik noch bis ins 18. Jahrhundert hinein pflegte. Die äußere Gestalt der Kirche wird durch ein konsequent durchdachtes System schmaler Strebepfeilen geprägt, die dem Bau- werk eine starke Plastizität verleihen. Die besonders widerstandsfähigen Steine, die die Hauptlasten des Bauwerkes zu tragen hatten, stammen aus Kalksteinbrüchen von Tonnerre.

Saint-Urbain, Chor, eigen

Troyes, dessen Stadgrundriss einem Champagnerkorken gleicht, liegt am Rande dieser berühmten Weinbauregion. Wie in allen Weinbaugebieten, wird auch hier am 25. Mai der Urbanstag begangen. Er gilt als der Weinheilige schlechthin und dient in dieser Rolle als Schutzpatron gegen Frost, Hagel, Blitz und alle Unwetter. In der Reihe der Eisheiligen ist der letzte und damit begann nach der früheren offiziellen Rechnung mit dem Urbanstag auch der Sommer. An diesem Tag musste die Frühjahrsarbeit in den Weinbergen abgeschlossen sein, denn dann begann die Vegetationszeit der Rebstöcke. Somit war der Urbanstag neben dem Gedenken an den Weinheiligen auch ein wichtiger Lostag im bäuerlichen Kalender. Sprüche zu Wetterregeln wie, `Die Witterung um Sankt Urban zeigt des Herbstes Wetter an´, zeigen, welche Bedeutung der Tag für die Beurteilung des restlichen Jahres hatte. Dass Urban den Sonnenaufgang am Feiertag des Namensvetters für die Ausrichtung seiner Kirche wählte, versteht sich da wohl von selbst.

Ausrichtung von Saint-Urbain de Troyes

Bilder: Wikipedia / Saint Urbain, Südwestfassade, Foto: DXR / Daniel Vorndran CC BY-SA 3.0 / Darstellung des Trankopfers auf einer attischen Phiale, um 480 v. Chr., Foto:Makron und ein weiterer Urheber / Hl. Urban, 16. Jh., Pfarrkirche St. Christina, Ravensburg, Foto: Jakob Russ , gemeinfrei / Westfassade, Chor, eigen / Simulation, Sunearthtoools, Heinrichs Kalenderumrechner