Johannes und das Schloss in Tettnang

Neues Schloss Tettnang, Einfahrt, Foto Ingo2802

Im Jahr 1770 malte Andreas Brugger das Deckenfresko in der Kapelle des Tettnanger Schlosses. Auf diesen begabten Maler, der seine Laufbahn mit einer Lehre in Scheer bei Sigmaringen begann, wurde .Graf Ernst von Montfort schon früh aufmerksam den jungen begabten aufmerksam und schickte ihn anschließend zur künstlerischen Weit- erbildung nach Wien. Dort entwickelte er sich dann zu einem er bedeutendsten Barockmaler Süddeutschlands und Österreichs. Das zentrale Motiv jenes Freskos ist der Tempelritter Jean de Montfort, der hier von Brugger als siegreicher Teilnehmer des 6. Kreuzzuges im Jahr 1248 dargestellt wird. Der Kreuzzug unter der Schirmherrschaft König Ludwig IX. von Frankreich hatte das Ziel, die 1244 an die Muslime verloren Stadt Jerusalem wieder zurück zu gewinnen. Den Widerstand des französischen Königs geg- en das Unternehmen brach eine schwere Krankheit, während der sein Keuzzugge- lübde ablegte. Der Kreuzzug der Jerusalem mit einem Vorstoß von Ägypten aus von der Umklammerung befreien und den Kreuzfahrerstaaten Entlastung verschaffen sollte, scheiterte kläglich. Bereits in der ägyptischen Stadt Damiette kam es durch eine Verkettung verhängnisvoller Entscheidungen zur entscheidenden Niederlage der Kreuz- fahrer und als einziger christlicher Monarch geriet der König dabei zeitweise in Gefang-enschaft seiner Gegner, Diese Gefangenschaft vergrößerte seinen Nimbus als uner- schütterlicher Streiter für den Glauben und trug damit zu seiner späteren Heilig- sprechung bei. Brugger malte Montfort in der Pose des siegreichen Anführers, mit der er muslimische Angreifer n die Flucht schlägt und trug damit zur Legende des Kreuzzuges bei.

Kreuzritter Johann von Montfort im Kampf gegen die Türken, Fresko. Schlosskapelle

Der wohl aus einem französischen Adelsgeschlecht stammende Ritter wurde laut der Überlieferung bei der Schlacht von Ama verwundet und verstarb schließlich in Nikosia. Auf Grund von Wundern die sich an seinem Grab ereignet haben sollen, gab es dort eine Wallfahrt, die bis zur Besetzung Zyperns durch die Türken andauerte. Von dort hatte Graf Hugo XVI. von Montfort-Bregenz, der ein eifriger Verfechter des Katholizis- mus in der Zeit der Reformation war, im Jahr 1486 auch einen Brief erhalten, in dem ihm die Verwandtschaft des Kreuzfahrers bestätigt wurde. Graf Hugo deutete Jean zu Johannes um. Nun aus der Bodenseeregion stammend, wurde er um Familienheiligen und Schutzpatron der Montforts. In der Folgezeit wurde sein Bild auf zahlreichen Min- iaturen und Bildern in Kirchen verbreitet. Der Name Johannes geht zurück auf den hebräischen Ausdruck `Gott ist gnädig´ und schafft damit eine Verbindung zu einem der großen Vorbilder des Mittelalters, Johannes der Täufer. Er war der letzte große bib- lische Prophet vor Jesus, der ihn dann im Jordan taufte.

Johannes der Täufer, Titzian um 1542

Ganz seiner Rolle entsprechend predikte er ein asketische Leben, das ganz auf den Glauben ausgerichtet war. Dieses Leben war ganz auf die kommende Apokalypse aus- gerichtet. Damit verlieh Johannes den Befürchtungen vieler Juden Ausdruck, die an das Ende der Welt glaubten. 1000 Jahre später glich diese Erwartung vom Ende er Welt den Vorstellungen des Mittelalters. Johannes der Evangelist hatte dieses Ende in seiner apokalyptischen Vision eines Endzeitgerichtes beschrieben. So entwickelte sich eine Sicht, dass Gläubige sich erst durch entsprechende Taten von ihren Sünden rein- waschen mussten, um den allfälligen Gerichtsprozess überstehen zu können. In der damaligen Vorstellungswelt würden diese Auserwählten dann in das Himmelreich einziehen. Mit Johannes gab es also eine perfekte Identifikationsfigur für die Ideale der Kreuz-fahrer. Dieser Symbolik folgt auch die Ausrichtung des Schlosses in Tettnang, dessen Bauachse auf den Sonnenaufgang am 24.Juni zielt, dem seit dem Mittelalter beliebten Feiertag des Johannes, Johannitag.

Ausrichtung des Schlosses in Tettnang

Bezeichnenderweise geht die Sonne dann über dem Ort Brünnensweier auf, der damit auch an die Rolle des Wassers bei Johannes dem Täufers erinnert. Mit den an diesem Tag entzündeten Johannifeuern lebte auch der alte Brauch der Sonnwendfeiern weiter, deren Symbolik nun für Christus stand. Dieser in ganz Europa verbreitete Brauch diente auch dazu, Hagelschäden abzuwenden und böse Dämonen zu vertreiben. Gerade dem in dieser Zeit blühenden Johanniskraut schrieb man eine besondere Abwehrkraft gegen die Geister, Teufel. Leiden und Erlösung zu. Diese Bedeutung des Johannes spiegelt sich auch in den Proportionen des Schlosses und seiner Ausrichtung wieder. Mit einem Seitenverhältnis von 17 zu 18 verweist die 17 auf das Bild des Leidens in der Bibel. Dies taucht bereits in de Genesis auf, wo am 17. Tag des Monats die Flut kam und damit auch das erste Strafgericht über die Menschen. Die 18 dagegen zeigt den verborgenen Weg des Heils. Er wird am Leben von Jesus ersichtlich, der im Alter von 12 Jahren zum letzten Mal erwähnt wird, ehe er mit 30 sein öffentliches Wirken begann und mit 33 Jahren starb.

Proportion des Schlosses

Das das Schloss nicht nur aus praktischen Erwägungen an dem Ort errichtet wurde, sondern der Ort bereits lange zuvor eine besondere Bedeutung besaß, zeigt sich an zwei weiteren Sonnenaufgängen über kegelförmigen Anhöhen die m Osten der Stadt liegen. Dort ist am 1. Mai und 4 Tage vor dem Frühlingsäquinoktium, am 17. März, der Sonnenaufgang zu sehen. Dem Datum, an dem in römischer Zeit das Agonium des Mars gefeiert wurde.

Bilder: Wikipedia/ Neues Schloss Tettnang, Einfahrt, Foto Ingo2802, CC BY-SA 3.0 / Kreuzritter Johann von Montfort im Kampf gegen die Türken. Fresko im Chorbogen der Schlosskapelle, A. Brugger, 1770 / Accademia – St John the Baptist by Titian Cat314 (Johannes der Täufer, Titzian um 1542) /Simulation, sunearthtools,googlemap

Ellwangen und der Jagesgouwe

Schloss Ellwangen

Eine um 1200 von Abt Kuno I erbaute Burg wurde zur Keimzelle des Schlosses ob Ellwangen. Sie wird im Jahr 1266 als castrum Ellwangen erstmals in Urkunden erwähnt. Ab der Renaissance änderte sich jedoch der Zweck der Burg , denn im Jahr 1460 wurde sie zur Residenz der Fürstpröpste, die den Rang von Reichsfürsten einnahmen. Eine grundlegende Änderung der Bausubstanz nahm Fürstpropst Johann Christoph von Westerstetten vor, denn er ließ von 1603 bis 1608 die Anlage als Renaissance-Schloss umgestalten. Aus dieser Zeit stammt auch der Arkadeninnenhof und die vier Ecktürme. Die trapezförmige Anlage schafft Raum für einen spannungsvollen Innenhof, der ganz auf eine theatralische Inszenierung ausgerichtet ist. Doch in der dieser Zeit wurde die Komposition des Raumes nicht allein dem Gefühl überlassen. Jeder Effekt wurde klar kalkuliert und wies darüber hinaus symbolische Bezüge auf. Sie spiegeln die Zeitge-schichte wieder, denn Luthers Thesen hatten die Welt des Glaubens radikal verändert und eine entschiedene Reaktion der Katholischen Kirche herausgefordert.

Schloss Ellwangen Innenhof

17 Jahre nach Luthers Thesenanschlag gründete 1534 Ignatius von Loyola den Jesuiten-orden. Von Papst Gregor XIII. entschieden gefördert, hatte er einen bedeutenden Anteil an der Gegenreformation, zu deren künstlerischem Ausdrucksmittel später der Barockstil zählte. Der im Kirchenbau auch als Theatrum Sacrum bezeichnete Stil beeinflusste genauso auch die Palastbauten des Adels. Die Gegenreformation förderte auch tatkräftig den am Ende des Mittelalters wieder abgeflauten Marienkult. Maria wird nun gerne als hoheitsvolle Herrscherin, Regina Coeli, oder als Immaculata, die Unbefleckte dargestellt. Während das Kreuz zum Symbol der Evangelischen Kirche wurde, wurde das Altarsakrament, die Hostie und deren Verehrung zu einem abgrenzenden Kennzeichen der katholischen Lehre. Die Verehrung des Sakramentes, wie die der Maria, wurde in aufwendig inszenierten Prozessionen gefeiert. In der damaligen Vorstellung zertrat sie den Kopf der Schlange, des Satans, und galt auch als die Siegerin aller Schlachten Gottes. Ganz deutlich ist hier die Auffassung einer Schlachtenlenkerin zu spüren, deren Hilfe ja bei der Reconquista und der Eroberung Südamerikas von Erfolg gekrönt war. Ihrer Bedeutung angemessen, floss auch ein wichtiger Gedenktag Marias in die Konzeption des Schlosses mit ein. So wurden die Schrägen nicht durch das subjektive Raumgefühl bestimmt, sondern ganz passend zu den geistlichen Schlossherrn und deren Marienverehrung vom Sonnenauf- und Untergang zu Mariä Geburt.

Ausrichtung des Schlosshofes in Ellwangen

Die Lage des Schlosses weist aber noch auf eine Verbindung auf, in die frühe Geschichte der Region zurückreicht. So bestimmt der Sonnenaufgang am 2. Februar eine Linie, die vom Einkorn bei Schwäbisch Hall. über den Schlossberg in Ellwangen, zum Schloss Baldern, bis zum Hexenfelsen auf der Marienhöhe bei Nördlingen führt. Die Geschichte des Einkorns, der bis zum18.Jahrhundert für das Wallen auf den Einkorn bekannt war , begann bereits in der Steinzeit. Zahlreiche hier gefundene Werkzeuge deuten auf eine rege Siedlungstätigkeit zur dieser Zeit auf dem Berg hin. Der Endpunkt der Linie, eine einst unbewaldete Kalksteinstruktur im Süden Nördlingens, diente im Mittelalter als Galgenberg und als Brandstätte während der hier intensiv betriebenen Hexenverfolgung. Später bekam der Ort anlässlich der Hochzeit von Kronprinz Maximilian von Bayern mit Marie von Preußen im Jahr 1834 den gefälligen Namen Marienhöhe.

Sicht auf Capella am Tag Epiphanias ( 8. Jhd.)

 

Der Schlossberg ragt in das Flusstal der Jagst, deren Name von der einstigen Land- schaftsname Jagesgowe stammt. Der wurde erstmals 768 in Urkunden erwähnt. Auch hier wurde ein keltischer Ursprung des Namens gesehen, doch deren Epoche lag zum   Zeitpunkt der Namensentstehung schon gute 1000 Jahre zurück. In der mittelhoch-deutschen Sprache gab es das Wort jagōn*. Das entwickelte sich später im Hoch- deutschen zu jagen, mit den Bedeutungen jagen oder verfolgen. Damals waren aber auch noch die Bedeutungen `in die Fluchtschlagen´ oder `vertreiben´durchaus  gebräuchlich. Neben dem bereits in keltischer und auch in römischer zeit gerühmten Heilmittel Wasser wurden Wasserläufe einst auch als Gottheiten verehrt. Dadurch bekamen sie auch eine mythologische Bedeutung für die Landschaft. Ein letzter Rest der alten Vorstellungen ist heute wohl im Fluss als Sinnbild für das Verfließen der Zeit enthalten. Während der Entstehung des Namens Jagesgowes wurde die auch in Fließrichtung der Jagst gezeigt. Am Ende der 12 Rauhnächte, als die Dämonen des alten Jahres endgültig vertrieben waren und dem neuen Jahr Platz gemacht hatten, markierte der Stern Capella den Tag Epiphanias.  In Fließrichtung der Jagst war er an diesem Morgen zum letzten mal sehen.

Bilder: Wikipedia/ Ansicht des Schlosses ob Ellwangen (1627) / Innenhof (2014) Grzegorz1964 / Simulation Stellarium, Sunearthtools