
Der Schrein von Catahalyöuk
Die Darstellung von Stieren in Bildern, sowie Wand- und Bodenplastiken prägt die Gestaltung der als Schreine bezeichneten Räume der Siedlung. Sie entstand in einem Zeitraum, in der die Herden des wild lebenden Auerochsen durch die Jagd stark dezimiert waren und die ersten Erfolge seiner Domestizierung erkennbar wurden. Aus der DNA seiner Stammlinie ist erkennbar, dass diese Wandlung zum Nutztier auf einem Gebiet geschah, das sich von Anatolien bis Pakistan erstreckte. Dabei wurde der Stier in er Gestalt des Ochsen nicht nur zu einem wertvollen Nutztier, das die Produktion der Landwirtschaft steigerte, sondern zugleich auch zu einem mythischen Kultobjekt. Aus dem Süden Mesopotamiens, einem Teil jenes fruchtbaren Halbmondes, ist der Wildstier als das Symbol des die Erde befruchtenden Wassers überliefert. Während der alljährlichen Regenzeit wurde dieses Wasser dann aufgefangen und über ein ausgeklügeltes Bewässerungssystem auf die Getreidefelder geleitet. Diese Verbindung vpn Getreide und Stier ist auch durch eine Kultschale aus der Stadt Ur überliefert, wo ein Stier und eine Ähre abgebildet sind. Dieses Motiv findet sich ebenso in der altakkadischen Dichtung, in der der Stier geradezu als ein Sinnbild des gebändigten Wassers, aber auch als mythischer Helfer beschrieben wird. 
Sonnentafel von Sippar, Stiermenschen stützen den Thron des Šamaš, Foto Prioryman
Auch in der hethitischen Kultur tauchte dieses Motiv in Gestalt von Wasserbecken auf, die mit Stierköpfen versehen wurden. Gerade in dieser Sprache wird noch die Verbindung des Stieres und dem Wasser deutlich, denn das Wort ars, das fließen bedeutet, geht auf das altindische Wort r~ahbha, der Stier, zurück. Die aus früherer Zeit überlieferten Epen des Stierkampfes beginnen mit der Tötung des Himmels-stieres durch Gilgamesch und finden ihrer Höhepunkt im Kampf des Athener Königs Theseus gegen gleich zwei Stiere. Im Kampf besiegt er den Marathonische Stier, eine Schreckensgestalt die die Bewohner von Tetrapolis in Angst und Schrecken versetzt und schließlich gelingt es ihm auch auf Kreta den sagenum-wobenen Minotaurus zu besiegen. Doch dies gelang Theseus nur, weil er sich auf Kreta in die schöne Ariadne verliebte. Sie beschaffte ihm nicht nur das passende Schwert, sondern gab ihm auch noch einen Faden, mit dessen Hilfe er wieder aus dem Labyrinth des Minotaurus herausfand.

Theseus und der Minotauros, 520–510v.Chr., Louvre, Foto :Bibi Saint-Pol,
Er war ein Mischwesen, halb Mensch und halb Stier, einem Nachkommen der aus der Vereinigung des kretischen Stieres und der Gemahlin des König Minos hervorging. Mit dem Stieropfer des Mithraskultes fand der wahrscheinlich im frühen Neolithikum entstandene Kult sein Ende. Die bekannten Darstellungen dieses Kult- es zeigen den persischen Gott Mithras, der traditionell mit phrygischer Mütze und wehendem Mantel dargestellt wird, wie er den weißen Stier mit einem Stich ins Herz tötet und der Stier dabei auf die Hinterbeine sinkt. Dieser, als Tauroktomie bezeich- nete Szene sind meist der Skorpion und der Rabe zugeordnet. Zusätzlich sind auch immer die beiden fackeltragenden Gestalten, Cautes und Cautopates abgebildet. Diese motivische Gestaltung ist aber keinesfalls nur als ein Fantasieprodukt mytho-logischer Vorstellungen zu sehen, sondern die Motive stellten das direkte Abbild der Sternbilder Orion und Taurus, sowie deren Umfeld dar. Am Abend der Winter-sonnenwende dar. So wie Mithras in den Darstellungen den Stier tötet, so scheint er er beim Untergang am Horizont auch auf seine Hinterbeine zu sinken, während Orion in siegreicher Haltung über ihm steht.

Orion – Taurus, 25. Dezember, Wintersonnenwende um Mitternacht, 150 n. Chr.
Dass der Stier auch in der bäuerlichen Kultur von Catalhöyük eine wichtige kultische Rolle spielte, zeigen zwei als Schreine bezeichnete Räume innerhalb der Siedlung. Drei Stierköpfe an der Wand korrespondieren hier mit vier Darstellungen auf dem Boden, wobei die drei Köpfe durch zwei, mit der Wand verbundene Pylone eingerahmt sind. Stehen alle Darstellungen stellvertretend für das Sternbild Taurus, so bilden sie eine Brücke zum Verständnis der Stadtgeometrie. Sie wirkt auf den ersten Blick als Abbild eines organischen Wachstumsprozesses, bei dem immer mehr Gebäude zu einem Cluster zusammengefügt wurden. So lassen sich aber mit drei Stellungen des Taurus die wesentlichen Außenpunkte der Siedlung be- stim- men. Eine davon ist hier die Sicht auf das Sternbild am Abend des Herbstäquin-oktiums, die gleichzeitig auch die Lage eines der Heiligtümer hinweist. Diese Grenzziehung zwischen Natur und Bauwerk mit Hilfe des Stieres weist auf ein Ritual hin, das aus der Zeit Roms überliefert ist. Dieser Ritus der Grenzziehung, der die gebaute Welt vom Naturraum trennte, stammte noch aus dem etruskischen Erbe und wurde mit einem ochsenbespannten Pflug vollzogen. Diese Furche wurde als pomerium bezeichnet und definierte eine gesetzlich und vor allem religiös definierte Grenze, die durch weiße Steine, den cippi, markiert wurde.
.Catalhöyük – Sicht des Traurus am Beginnder Regenzeit
Bilder: Wikipedia / Sonnentafel von Sippar, unten rechts stützen zwei Stiermenschen den Thron des Šamaš, British Museum, Foto Prioryman, CC BY-SA 4.0 / Theseus und der Minotauros, attisch-rotfiguriger Teller des Paseas, 520–510 v. Chr., Louvre, Foto :Bibi Saint-Pol, Orion – Taurus, 25. Dezember, Wintersonnenwende um Mitternacht, 150 n. Chr., stellarium/Simmuation Schrein VI, reseachrgate, autorin, Marina Milićević Bradač , Çatal Hüyük, Turkey, shrine E VI,8 (after Mellaart 1963.64, Fig.10), stellarium
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